Gegen Ende der Goldenen Zeiten gab es einen Meilenstein der Harald-Schmidt-Show: Eine Sendung, die als Bootsfahrt auf dem Rhein durchgeführt wurde.
Der Titel war natürlich schon recht selbstironisch angelegt. Ob man daraus ableiten kann, dass Herr Schmidt von Vornherein nicht so ganz an das Konzept geglaubt hat, weiß ich nicht. Jedenfalls handelte es sich um eine Sondersendung, die bereits um 20:15 Uhr begann und (inklusive Werbung) vier Stunden dauerte.
Die vier Stunden hätte es nicht unbedingt gebraucht, denn nach ca. fünf Minuten drehten sich die Witze eigentlich nur noch darum, dass das Ganze hinten und vorne nicht funktioniert.
Woran lag das nun? Natürlich ist es retrospektiv immer einfach, mit „Ich hab’s doch gesagt“-Habitus aufzutreten. So ist es definitiv nicht gemeint. Aber die Beobachtungen dieser Sendung zeigen meines Erachtens im Kontrast sehr deutlich, warum die „übliche“ Show so gut funktioniert hat.
Zum einen war die Sendung im Studio ein Kammerspiel. Ich habe das gerne als „verlängertes Wohnzimmer“ bezeichnet. Man sah Herrn Schmidt vor sich, großformatig, an einem Schreibtisch. Dadurch entstand eine sehr unmittelbare Beziehung zum Zuschauer. Auf dem Schiff hingegen ist diese ganze Nähe völlig weg. Man weiß, dass man einem Menschen auf einem Schiff zuschaut. Das ist eine komplett andere Atmosphäre.
Die Sketche mit Olli Dittrich und Anke Engelke waren einfach schlecht, wie alle Beteiligten unumwunden einräumten. So gut jedenfalls die Letztgenannte in ihren Sendungen ist, in die Harald-Schmidt-Show passte sie einfach nicht. Und für bestenfalls mittelmäßige Späßchen, die vom Blatt abgelesen werden, schaute man sich die Sendung schlichtweg nicht an.
Und wenn man erst einmal in der „Was machen die da eigentlich?“-Stimmung gefangen ist, dann versanden auch die besseren Gags. Sowohl für die Fernsehzuschauer als auch für die Gäste an Bord, die sich wohl recht schnell als im falschen Film gefangen vorkamen. Das Rheinwasser rundherum hinderte sie zumindest an der Flucht.
Auch zwischen Live-Gästen und Sendung entstand nie auch nur annähernd eine Beziehung. Irgendwo auf dem Schiff passierte irgendwas, während die Gäste auf ihren Plätzen saßen und bestenfalls wenig, meist gar nichts mitbekamen.
Eine große Schwäche der Sendung war auch die weitgehende Planung. Freilich, eine vierstündige Sendung auf einem Schiff funktioniert ohne Planung nicht. Das ist etwas anderes als 45 Minuten im Studio. Aber diese Planung hat die Spontaneität, die man aus der Show kannte, praktisch komplett getötet. Außerhalb des Drehbuchs standen gerade einmal die häufigen Bemerkungen, dass das alles gerade ins Peinliche abgleitet.
Und so war einer der besten Momente der ganzen Sendung dann einer, als Herrn Schmidt schon alles weitgehend egal war. Da schickte er, keine zehn Minuten vor dem Ende, einen beherzten Hilferuf per Megaphon ans Ufer: „Hallo! Hier ist ein Mensch in Not! Der kommerzielle Druck ausländischer Eigentümer hat mich gezwungen, mich vier Stunden lang zum Deppen zu machen! Helfen Sie mir!“
In einer späten Sendung, in der er die Geschichte der Harald-Schmidt-Show mit Playmobil nachspielte, hat er diese Aktion dann auch aufgegriffen und genüsslich rekapituliert, dass einfach nichts funktioniert hat. Das war wohl Teil seiner bekannten masochistischen Ader, die eigenen Misserfolge vehement zu feiern. Und die Geschichte, dass bei der Rückfahrt von Boppard nach Köln im Bus niemand neben ihm sitzen wollte, glaube ich ihm sogar.
Trotz allem: Ich wäre gerne dabei gewesen. Es wäre ein Erlebnis gewesen. Auch wenn es etwas schmerzlich gewesen wäre, einen Großen scheitern zu sehen. Und ich hätte mich sogar im Bus neben Herrn Schmidt gesetzt.